Ich weiß ehrlich gesagt nicht wirklich was mich da geritten hat, aber mir kam plötzlich der Gedanke – oh ich sollte mal wieder mehr für meine Oberarme und Oberkörper tun und da könnte ich doch einfach mal Rollstuhl auf lange Distanzen fahren.
Also ich, von Natur aus ein Sportmuffel, habe angefangen einen Weg von knapp über 5 km in einer knappen halben Stunde zu rollen. Und ich weiß auch nicht, aber irgendwie hatte ich meine sportliche Zielstrebigkeit wieder gefunden. Irgendwo da draußen auf dem asphaltierten Feldweg.
Das erste Mal als mir der Gedanke kam, dass ich auch mal mit dem Rollstuhl weite Distanzen rollen möchte, kam mir als ich meine Schwester zum einem Staffelmarathon begleitet habe. Die ganze Stimmung dort, fand ich einfach nur großartig und ich war mächtig Stolz auf meine Schwester. Das wollte ich irgendwie auch. So kam es, dass ich bereits nach dem zweiten Rollen beschloss – ich will mal bei einem Lauf mitmachen!
Und naja, wie es der Zufall wollte, habe ich direkt nach einem Training im Fernsehen da diese Werbung gesehen. Ein Laufevent für Läufer und Rollstuhlfahrer, eben jeder der kann. Der Wings for Life Run…. Er findet jedes Jahr in vielen Ländern überall auf der Welt statt. Egal ob Tag oder Nacht, bei Regen oder extremer Hitze. Alle Läufer und „Roller“ starten um dieselbe Uhrzeit. Die Startgebühren werden zu 100% für die Rückenmarksforschung gespendet.
Ich mag besonders das Motto des Events: „Running for those who can‘t“. Ich kann und will! Wings for Life kam für mich genau zur richtigen Zeit. Ok, ein paar Wochen und mehr Trainingseinheiten später hätte es auch sein können. Bei dem Lauf geht es darum, dass man nicht eine vorgegebene Distanz zurücklegt, so wie es bei anderen Volksläufen üblich ist, sondern 30 Minuten nach dem Start fährt ein Auto – das sogenannte Catcher Car – die Strecke ab. Wenn du überholt wurdest, bist du aus dem Rennen. Das geht solange bis der Letzte und damit der Sieger eingeholt wurde. Mit einer App, kann man schon während des Trainings simulieren nach welcher Zeit und Strecke dich das Catcher Car einholt und somit der Lauf für dich beendet ist. Der Spaß für den guten Zweck gemeinsam zu laufen/rollen steht hier im Vordergrund.
So saß ich gerade einmal drei Wochen später in meinem Rollstuhl im Olympiapark in München. Ich hatte lediglich ein paar Mal trainiert und nun war es windig, kalt und es regnete. Genau so wie ich es eben nicht erhofft hatte. Bei meinem Spitzenlauf im Trainig hatte ich eine Distanz von 12,48 km und da hatte mich das Catcher Car nach einer 1 Stunde und 19 Minuten eingeholt. Jetzt im Olympiapark musste ich aufgrund des Regens erstmal umdenken und austesten, bei welchen meiner Handschuhen ich die beste Griffigkeit hatte. Jeder Rollstuhlfahrer wird mir wohl zustimmen, wenn ich sage, es ist total schrecklich und auch nicht gerade ungefährlich bei Regen mit dem Rollstuhl auch nur mit normalem Tempo zu fahren.
Letztendlich bin ich 8,74 km gerollt bis ich eingeholt wurde (die Zeit kann ich euch leider nicht nennen, da meine App ausgerechnet an diesem Tag versagt hat). Im ersten Moment war ich enttäuscht von meiner Leistung. Ich hatte mir insgeheim mindestens 10 km vorgenommen und ich wollte keine Hilfe annehmen. Beides habe ich nicht geschafft. Der Weg war über die Hälfte meiner Strecke mit Regen unterlaufen und mit vielen kleinen Steinen übersät. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen ich danach aussah als hätte ein Traktor, voll beladen mit Matsch, seine ganze Ladung an meinem Rollstuhl und mir abgeladen.
Doch was ich im Nachhinein sagen kann ist, dass es viel mehr als nur um die vorgenommene Distanz ging oder ob ich es zu 100% aus eigener Kraft heraus geschafft habe. Ich hatte mir etwas vorgenommen und habe es tatsächlich durchgezogen. Ich wurde zwei-/dreimal von anderen Läufern geschoben. Ich hätte es auch ohne Hilfe geschafft aber ich habe die Hilfe an den ganz schwierigen Etappen auch sehr gerne angenommen. Für mich stand das eher als Symbol der Gruppendynamik. Man hilft dem anderen, der vielleicht ein wenig schwächer ist ins Ziel zu kommen/weiter zu kommen. Es war schön zu sehen, dass andere, die selbst mit sich zu kämpfen hatten, trotzdem bereit waren mir zusätzliche Kraft zu geben. Vielen Dank an dieser Stelle! 😉 So möchte ich das auch in meinem Alltag sehen. Ich habe während des Rollens von anderen Läufer viel Zuspruch und motivierende Worte erhalten. Und auch das Klatschen und die motvierende Gesten der Zuschauer am Straßenrand gaben mir ein unglaubliches Gefühl. Ich konnte, genau wie meine Schwester einige Wochen zuvor, das ganz besondere Lauffeeling erleben und nun selbst als Rollstuhlfahrerin fühlen. Gerade weil der Wings for Life Run ein Charity-Event ist, ist es so ein besonderer Lauf mit einer fantastischen Atmosphäre.
Wenn es mir möglich sein wird, werde ich nächstes Jahr wieder für die rollen, die es nicht können!